Zugegeben − von einem Wasserstoff-Antrieb zu sprechen ist eigentlich irreführend. Denn Fahrzeuge mit Brennstoffzelle werden von einem Elektromotor bewegt. Der Unterschied zum Elektroauto besteht in der Art und Weise, wie die Energie gespeichert wird: nämlich nicht als elektrischer Strom in der Batterie, sondern in der Form von Wasserstoff im Tank. Der bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen aus Hochdrucktanks stammende, dort bei bis zu 800 bar gelagerte Wasserstoff wird mit Sauerstoff aus der Luft zur chemischen Reaktion gebracht, die grundsätzlich der im Chemieunterricht erzeugten Knallgasreaktion entspricht. Nur knallt es in der Brennstoffzelle nicht, sondern die elektrische Energie wird produziert und in einer kleinen Vorratsbatterie gespeichert, die in Grösse und Volumen deutlich kleiner als etwa bei mit Batterien betriebenen Elektrofahrzeugen ist.

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Aus dem Auspuff entweicht das Nebenprodukt der chemischen Reaktion: Wasser. Das klingt zwar umweltfreundlich und klimaschonend − ist es aber nur zum Teil, weshalb auch die ursprüngliche Euphorie für Brennstoffzellen-Fahrzeuge verflogen ist. Die Produktion von Wasserstoff ist nämlich energieintensiv und nur ein gutes Drittel der aufgewendeten Energie fliesst tatsächlich in die Fortbewegung. Auch BMW rechnet deshalb nicht mit Serienfahrzeugen mit Wasserstoff-Antrieb vor Mitte des Jahrzehnts, denn zunächst müsse, so BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, Wasserstoff als Energieträger in hinreichenden Mengen, mit grünem Strom und zu wettbewerbsfähigen Preisen produziert werden können. Privatkunden stehen ausserdem vor einem weiteren Problem: Öffentliche Wasserstofftankstellen gibt es in der Schweiz zurzeit eine, und auch das europäische Umland ist von einer flächendeckenden Versorgung weit entfernt.

Schweiz als Testmarkt

Die Brennstoffzelle hat aber gegenüber dem batteriebetriebenen Elektromotor auch wesentliche Vorteile: Der Tankvorgang dauert nur wenige Minuten, das Gewicht des Tanks ist geringer als das einer Batterie und braucht auch weniger Platz. Die Reichweite und Zuladekapazität von Brennstoffzellen-Fahrzeugen sind also deutlich höher, was sie für den Schwerverkehr und den öffentlichen Nahverkehr prädestiniert. Der Förderverein H2 Mobilität − ein Zusammenschluss von Detailhändlern, Logistikern und Tankstellenbetreibern − hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, der Technologie in der Schweiz zum Durchbruch zu verhelfen.

Erstes Resultat der Bemühungen ist das im vergangenen Jahr gegründete Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility, an dem das Schweizer Start-up H2Energy und Hyundai Truck und  Bus je zur Hälfte beteiligt sind. Das koreanische Unternehmen Hyundai, einer der Vorreiter des Wasserstoffantriebs im Nutzfahrzeug-Bereich, erhofft sich von diesem Engagement eine grössere Präsenz im europäischen Markt, die ersten 1000 Fahrzeuge aber sind für die Schweiz reserviert: Sie sollen bis 2023 schrittweise auf die Strasse kommen.

Den Anfang hat Detailhändler Coop gemacht, der seit 2017 mit dem weltweit ersten Wasserstoff-Lastwagen mit 34 Tonnen Nutzlast Erfahrungen sammeln konnte − und bei den Kosten nicht zuletzt davon profitiert, dass Brennstoffzellen-Fahrzeuge von der Mineralölsteuer und der Schwerverkehrsabgabe befreit sind. Auch anderen Schweizer Unternehmen soll der Betrieb der neuen Fahrzeuge nicht teurer zu stehen kommen als der Einsatz von Diesel-Lastwagen: Der koreanische Hersteller verkauft die Nutzfahrzeuge nämlich nicht, sondern vermietet sie in einem sogenannten Pay-per-use-Modell. Ob sich das für Hyundai rechnet, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich aber ist, dass für den Konzern strategische Überlegungen im Vordergrund stehen: «Hyundai hat grosses Interesse daran, in der Schweiz Fuss zu fassen», erklärt Jörg Ackermann, Präsident des Fördervereins.

Sinn und Unsinn

Rasch vorwärtsgehen soll es auch mit dem Bau neuer Wasserstoff-Produktionsanlagen und öffentlicher Tankstellen. Die St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG und der Brenn- und Treibstoff-Händler Osterwalder St. Gallen wollen gemeinsam eine solche Anlage aufbauen, die mit der Wasserkraft des Gübsensees Wasserstoff produziert. Noch in diesem Jahr ist die Eröffnung von Tankstellen in St. Gallen, Frauenfeld und Chur geplant. Was in der Sparte Personenwagen allerdings fehlt, sind die Fahrzeuge: Auf der Automobilfachmesse IAA in Frankfurt im September des vergangenen Jahres spielte die Brennstoffzelle kaum eine Rolle. Volkswagen-Chef Herbert Diess bezeichnete die Pläne des Konkurrenten BMW sogar als «Unsinn».

Mercedes-Benz setzte seinen Brennstoffzellen-SUV zwar publikumswirksam als Shuttle-Fahrzeug ein, hergestellt wird der GLC F-Cell aber nur in Kleinserie. Auch Umweltverbände stehen dem Einsatz der Brennstoffzellen im motorisierten Individualverkehr wegen des niedrigen Wirkungsgrads kritisch gegenüber: «Wenn ich einen Golf mit vier verschiedenen Antriebsarten ausstatte – also Batterie, Brennstoffzelle, Diesel- oder Benzinmotor –, variiert der Energieverbrauch enorm. Auf gleicher Strecke verbraucht das E-Auto am wenigsten Strom. Das Brennstoffzellen-Fahrzeug verbraucht schon doppelt so viel Energie», erklärt Benjamin Stephan, Transport Campaigner von Greenpeace Deutschland im Interview, gibt aber zu, dass in gewissen Bereichen noch keine wirklichen Alternativen vorhanden seien: «Perspektivisch wird es einen Mix aus batterieelektrischen Autos und Brennstoffzellen-Fahrzeugen geben. In den Fällen, in denen Menschen auch in Zukunft mit einem grösseren Auto ständig lange Distanzen zurücklegen müssen, ist die Brennstoffzelle sinnvoll. Sonst müssten die Fahrzeuge sehr grosse, schwere Batterien mit sich rumschleppen und das wäre auch ökologisch gesehen unsinnig.»

Dieser Beitrag erschien erstmals im doppelpunkt.
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