Das musst du wissen

  • Die SRF-Sendung «Kassensturz» machte Sicherheitslücken in der Datenbank der Stiftung Swisstransplant publik.
  • Aktuell läuft dazu vom Bund eine Überprüfung.
  • Währenddessen ist die Datenbank für neue Organspender gesperrt. Trotzdem gibt es für sie Möglichkeiten.

Die Stiftung Swisstransplant gerät im denkbar dümmsten Moment in die Schlagzeilen. Der Grund: Das nationale Register für Organspenden, das sie betreibt, wurde Mitte Januar wegen möglicher Sicherheitslücken angeprangert. Das Verfahren, das den Sachverhalt überprüft und das vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten eingeleitet wurde, ist noch nicht abgeschlossen. Es wird sich mindestens bis Ende Juni hinziehen. Derzeit nimmt das Register keine neuen Einträge mehr an. Und das kurz vor der Abstimmung über das Transplantationsgesetz.

Warum das Timing schlecht ist. Am 15. Mai 2022 stimmt die Schweizer Bevölkerung über eine Teilrevision des Transplantationsgesetzes ab. Bei einem Ja wird die Schweiz von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung übergehen. Heisst: Wenn sich eine Person zu Lebzeiten nicht gegen eine Spende ausspricht, können ihre Organe nach ihrem Tod entnommen werden. Die Abstimmungskampagnen sind in vollem Gange, mit öffentlichen Debatten, einer breiten Medienberichterstattung und einer Bevölkerung, die dazu aufgefordert wird, ihre Meinung zu äussern – die ihre Entscheidung jedoch nicht in das Register eintragen kann. Eine verpasste Chance?

Der Hintergrund. Es war die SRF-Fernsehsendung «Kassensturz», welche die Alarmglocken läuten liess. Die Journalisten zeigten auf, dass es möglich ist, eine andere Person ohne deren Wissen zum Organspender zu machen. Jemand mit bösen Absichten kann also jemand anderen in das nationale Organspenderegister eintragen, sofern er oder sie ein Foto der Zielperson besitzt, ihre Adresse sowie ihr Geburtsdatum, die Unterschrift fälscht und eine selber kreierte E-Mail-Adresse auf den Namen der Person angibt.

Nachdem der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) Adrian Lobsiger davon Kenntnis erhalten hatte, leitete er am 13. Januar nach einer ersten Prüfung eine Untersuchung ein. Dies, um mögliche Verstösse «gegen die Datenschutzgesetzgebung und die Sicherheitsanforderungen» zu ermitteln.

Die aktuelle Situation. Drei Monate später erklärt der Dienst des EDÖB: Das Verfahren läuft aktuell noch und wird nicht vor der Abstimmung abgeschlossen sein. Silvia Böhlen vom Kommunikationsdienst des EDÖB sagt dazu:

«Das Ergebnis der Volksabstimmung vom 15. Mai ist nach unserer Auffassung ein wesentlicher Bestandteil unseres Verfahrens zur Ermittlung des Sachverhalts. Der Bericht mit den relevanten Fakten kann Swisstransplant daher erst nach der Abstimmung im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs zugestellt werden. Das Aufsichtsverfahren wird somit frühestens Ende Juni 2022 abgeschlossen sein und der Bericht anschliessend veröffentlicht werden.»

Weiter sagt sie:

«Auf Seiten der Stiftung wurden die notwendigen Sofortmassnahmen ergriffen, um den Datenschutzrisiken zu begegnen. Insbesondere ist es derzeit nicht möglich, neue Registrierungen vorzunehmen.»

Wie die Stiftung Swisstransplant auf ihrer Webseite erklärt, kann tatsächlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine Person mit falschen Daten in das Register einträgt. «Aus diesem Grund ist es vorübergehend nicht mehr möglich, eine neue Registrierung im nationalen Register für Organspenden vorzunehmen», heisst es. Die Anmeldungen würden wieder geöffnet, sobald ein Registrierungsprozesses umgesetzt sei, der die höchsten Sicherheitsanforderungen erfülle.

Eine verpasste Gelegenheit? Diese Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Thematik der Organspende wegen der Abstimmung vom 15. Mai in den Medien breit behandelt wird. Eine verpasste Gelegenheit, um zur Organspende zu ermutigen? Auf Anfrage geht Swisstransplant nicht im Detail darauf ein. Rahel Rohrer von der Kommunikationsabteilung der Stiftung sagt dazu:

«Die Diskussionen rund um die Abstimmung haben dazu geführt, dass das Thema nun breit diskutiert wird. Das begrüssen wir sehr. In der Praxis stellen wir fest, dass sich viele Menschen nicht oder nur wenig mit der Frage beschäftigen, ob sie ihre Organe spenden wollen oder nicht. Die gesamte Debatte hat also sicherlich einen positiven Effekt auf diesen Punkt – auch wenn neue Registrierungen im Register derzeit nicht möglich sind.»

In Ermangelung eines zugänglichen Registers weist die Stiftung darauf hin, dass man seinen Willen seinen Angehörigen mitteilen sollte. Diese werden immer in den Entscheidungsprozess einbezogen, auch wenn die Widerspruchslösung angenommen wird. «Der Wille kann zum Beispiel mündlich oder in einer Patientenverfügung erwähnt werden», sagt Rahel Rohrer. Es besteht auch die Möglichkeit, einen Spenderausweis zu bestellen.

Welches Register für die Schweiz? Wird die Gesetzesänderung vom Parlament angenommen und damit auch das Modell der Widerspruchslösung, muss der Bund ein sicheres Bundesregister einrichten. Eines, in dem die Bevölkerung dokumentieren kann, ob sie ihre Organe spenden will oder nicht.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob es sich um ein völlig neues Register handelt oder ob es auf dem bestehenden aufbaut. Ebenso ist offen, ob die Daten des bestehenden nationalen Registers für Organspenden in das neue Register übertragen werden können. Rahel Rohrer von Swisstransplant sagt dazu:

«Das neue Gesetz würde die Möglichkeit schaffen, ein sicheres Register einzurichten, das alle Anforderungen an hohe Sicherheitsstandards erfüllt. Das Eidgenössische Departement des Innern hat uns bisher keine weiteren Informationen zu den technischen Details gegeben.»

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von Ramona Nock aus dem Französischen übersetzt.

Heidi.news

Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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