Das musst du wissen
- Die in der Schweiz geplanten Massnahmen zu Medienförderung orientieren sich an jenen aus skandinavischen Ländern.
- Eine Studie aus Norwegen zeigt, dass dort die direkte Förderung keinen Einfluss auf den Inhalt von Zeitungen hat.
- Insgesamt sind empirische Daten in diesem Bereich aber rar.
Die Medien kränkeln: Das Publikum wandert ab, Werbeeinnahmen brechen weg. Darum möchten der Bundesrat und das Parlament den hiesigen Medien unter die Arme greifen. Konkret mit bis zu 150 Millionen Franken pro Jahr – am 13. Februar wird abgestimmt. Mit dem neuen Medienförderungsgesetz soll die Rundfunkförderung, die es für private Lokal- und Regionalsender bereits gibt, leicht ausgebaut werden, und die indirekte Presseförderung sogar stark. Das heisst: Neben den bisherigen reduzierten Mehrwertsteuersätzen und Zuschüssen an die Postzustellung gibt es zukünftig auch Geld für die Frühzustellung von Zeitungen, für die Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden, für den Presserat (das Aufsichtsorgan) und die Nachrichtenagentur SDA. Und das Neueste am Gesetz: Auch Onlinemedien sollen direkt gefördert werden.
Gefährdet direkte Medienförderung die journalistische Unabhängigkeit?
Die Gegner des Medienpakets sehen die journalistische Unabhängigkeit in Gefahr. Befürworter hingegen sagen genau das Gegenteil: Die Unabhängigkeit der Medien werde insgesamt gestärkt und die Macht der privaten Konzerne geschwächt. Wer hat recht? Wie berechtigt sind die Ängste aus wissenschaftlicher Sicht?
Ein Blick in zwei Ranglisten zur Pressefreiheit zeigt: Die Schweiz hat heute eines der freisten Mediensysteme der Welt. So landet unser Land beispielsweise in der Erhebungen der NGO Freedomhouse von 2017 bezüglich der Medienfreiheit auf Platz sieben von knapp hundert Ländern. Im vergleichbaren Index von Reporter ohne Grenzen von 2021 belegt die Schweiz Platz zehn von knapp zweihundert.
Massnahmen unabhängig ausgestalten
Die Befürchtung, dass das neue Medienförderungsgesetz dies nun massgeblich ändern könnte, hält Manuel Puppis, Kommunikationswissenschaftler von der Universität Freiburg, für unbegründet. «Schon heute fördert die Schweiz den Lokal- und Regionalrundfunk direkt, ohne, dass man diesen Sendern vorwerfen kann, dass sie staatsnah sind», meint er. Warum nun die Abhängigkeit bei der Onlineförderung ein Riesenproblem sein solle, kann der Forscher darum nicht nachvollziehen. Vielmehr sagt er: «Es ist alles eine Frage der Umsetzung». Die Fördermassnahmen liessen sich nämlich durchaus so gestalten, dass die Medienfreiheit nicht gefährdet sei. «Mit Schweden, Norwegen oder Dänemark gibt es hier sehr gute Vorbilder», so Puppis.
«Es gibt für den Staat keinen Hebel, um Medien mit besonders staatskritischer Berichterstattung abzustrafen.»Manuel Puppis, Kommunikationswissenschaftler
So orientieren sich die aktuell in der Schweiz zur Abstimmung stehenden Neuerungen denn auch an diesen Ländern – die in den oben genannten Ranglisten sogar noch besser platziert sind als die Schweiz. Konkret heisst das: Für die geförderten Medien gibt es keine Leistungsaufträge, es gibt keine Evaluation der inhaltlichen Berichterstattung und relativ abstrakte Kriterien dafür, wer gefördert wird. «Damit gibt es für den Staat auch keinen Hebel, um Medien mit besonders staatskritischer Berichterstattung abzustrafen», sagt Puppis.
Positive Befunde aus Norwegen
Empirische Forschung, die dies beweisen könnte, ist aber rar. Generell gibt es nur sehr wenige Studien, die sich mit dem Einfluss spezifischer Massnahmen der Medienförderung beschäftigen. Eine der wenigen stammt aus Norwegen. Forschende untersuchten, wie sich die direkte Presseförderung auf die Vielfalt der Online-Nachrichten auswirkt. Dafür analysierten sie über 700 000 Artikel aus 160 verschiedenen Zeitungen, von denen rund die Hälfte Geld vom Staat erhielt. Das Resultat: Inhaltlich unterschieden sich geförderte kaum von nicht geförderten Zeitungen. Für Puppis ist das ein positiver Befund: «Es zeigt, dass der Geldgeber keinen Einfluss auf den Inhalt hat».
Science-Check ✓
Studie: The effect of direct press support on the diversity of news content in NorwayKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie untersucht nur Online-Nachrichtenveröffentlichungen, nicht aber den Inhalt der Printpublikationen der Zeitungen. Gerade lokale Zeitungen neigen aber eher dazu, zuerst in gedruckter Form zu veröffentlichen und die Online-Veröffentlichung einzuschränken, um den Wert ihres Print-Abonnementmodells zu erhalten. Der Datensatz könnte dadurch also etwas verzerrt sein. Zudem lassen sich die Resultate nicht direkt auf andere Länder übertragen, da die Mediensysteme und Fördermassnahmen je nach Land teils sehr unterschiedlich sind.Mehr Infos zu dieser Studie...Lokaljournalismus ist wichtig für die Demokratie
Und: Förderung sichert die Vielfalt im System. So gibt es in allen lokalen Räumen in Norwegen mindestens ein Medium – in manchen sogar Konkurrenz. Zwar kann die Studie nicht explizit messen, ob es ohne Förderung mehr oder weniger Medien wäre. Doch es lasse sich zumindest vermuten, dass viele lokale Zeitungen ohne finanzielle Unterstützung nicht mehr existieren würden, sagt Kommunikationswissenschaftler Puppis. Ganz anders als in Norwegen sieht die Situation in den USA aus: Hier existieren viele sogenannte «News Deserts». Also Gegenden, wo es keine Zeitung, kein Rundfunk oder kein Onlinemedium gibt, die lokalen Journalismus machen. «Das führt zu riesigen Lücken in der Demokratie», sagt Puppis. Das verdeutlicht auch eine Studie aus der Schweiz, die die Wahlbeteiligung in über vierhundert Gemeinden untersuchte. Sie kam zum Schluss, dass die Beteiligung umso tiefer lag, je geringer die Auflage der lokalen Zeitungen war und je weniger diese über lokale Politik berichteten. Das Fazit der Forschenden: Verschwinden Medien, bedroht das die Demokratie.
Genau das möchte der Bund mit dem Medienfördergesetz nun verhindern. Manuel Puppis bezeichnet das vorgeschlagene Modell zwar als politischen Kompromiss. Unter dem Strich sei die Abstimmungsvorlage aber besser als die heutige Lösung, mit der Onlinemedien leer ausgehen. Und er sagt: «Dass das Gesetz auf sieben Jahre befristet ist, gibt der Politik Zeit, innovativere Lösungen zu finden». Denn kritische Stimmen gibt es auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Oftmals geht es dabei aber – aus weltanschaulichen Gründen – um Medienpolitik im Generellen. Das bedeutet: Martklösungen statt staatliche Eingriffe, um die Finanzierungsschwierigkeiten der Medien anzugehen. Abgelehnt wird dann also beispielsweise auch die Service-Public-Finanzierung von Radio und Fernsehen – die in der aktuellen Debatte aber nicht infrage steht.