Das musst du wissen

  • Anlässlich der letzten US-Präsidentenwahl sahen 126 Millionen Amerikaner russisch-generierte Inhalte, schätzt Facebook.
  • Die russische Propaganda zielt auf die Emotionen von Parteigängern und so auf eine Polarisierung der Gesellschaft.
  • Deklarationen, welche den russischen Staat als Urheber der Inhalte ausweisen, könnten Gegensteuer geben.
Den Text vorlesen lassen:

Einen Drittel der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger erreichten anlässlich der letzten Präsidentschaftswahl in den USA 2016 Inhalte, hinter denen der russische Staat steckte. Dies zumindest schätzt Facebook. Russische Propagandaaccounts verfügten über mehrere 100 000 Follower und generierten Zehntausende politischer Werbeanzeigen, wie im Auftrag des amerikanischen Kongresses durchgeführte Studien ergaben. Nun stehen wieder Wahlen an – und auch hier sind russische Trolle nicht untätig.

Kein Wunder also, sind die USA bestrebt, Rezepte gegen diese Einflüsse zu finden. Forschende der amerikanischen RAND Corporation haben nun einen Forschungsbericht veröffentlicht, in dem sie Vorschläge dafür machen. Die RAND Corporation ist ein unter anderem staatlich finanzierter Thinktank, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde, um die Streitkräfte der USA zu beraten. Hier wird in institutionellem Auftrag geforscht – der Bericht spiegelt also eine offizielle, amerikanische Sicht auf die Problematik wider.

Propaganda entgeht Fact-Checking

Der Bericht geht der Strategie der russischen Propaganda auf den Grund. Die Forschenden analysierten hierfür die Reaktionen von rund 1500 rekrutierten Facebook-Usern auf echte russische Propaganda-Memes. Memes sind Witze oder Sprüche, die meist in Kombination mit Bildern oder Videos im Netz kursieren. Vorgängige Studien ergaben, dass Memes ein beliebtes politisches Mittel der Beeinflussung sind. Die erfolgreichsten Propaganda-Memes zielen auf die Emotionen ab, drehen sich um umstrittene Themen wie Rassenprobleme, Polizeigewalt, Nationalismus, Immigration und Waffenbesitz, und bestätigten die politischen Ansichten der jeweiligen Empfänger von links bis rechts. Personen rechts der Mitte bekommen also rechtsgerichtete Memes zu sehen, zum Beispiel: «Say a Prayer and Load your Gun» – «Sprich ein Gebet und lade deine Waffe». Personen links der Mitte hingegen liberale Memes mit Fokus auf kulturelle Identität wie beispielsweise: «Liberals Protest War. Conservatives protest Health Care» – «Liberale protestieren gegen Krieg. Konservative protestieren gegen eine Krankenversicherung».

Science-Check ✓

Studie: Russian Propaganda Hits Ist Mark. Experimentally Testing the Impact of Russian Propaganda and Conter-Interventions.KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie ist in staatlichem Auftrag entstanden und wurde nicht peer-reviewed, was Befangenheit möglich macht. Die Studienautoren gehen von einem Propagandakrieg aus, der von Russland gegen die USA gerichtet ist. Dass dieser Krieg wohl beidseitig geführt wird, ist zur Kenntnis zu nehmen aber nicht Gegenstand dieser Forschung. Viel eher geht es um die Bewältigung neuer technologischer Möglichkeiten der Beeinflussung. Die Resultate dazu beziehen sich auf amerikanische Facebook-User. Allgemeingültig sind sie nicht. Die Studie kann aber Hinweise geben, wie der Polarisierung im Netz entgegenzutreten ist.Mehr Infos zu dieser Studie...

Russische Memes sind dabei oft explizit nicht als «Fake News» klassifizierbar, da sie nicht auf Fakten abzielen und meist nicht einmal eine explizite Meinung enthalten, der man zustimmen könnte. Viel eher handelt es sich um stimmungsmachende Aussagen wie: «Like, wenn du glaubst, scrolle weiter, wenn nicht» – und ein Bild von Jesus. Fact-Checking kann gegen diese Strategie nichts ausrichten.

Das Ziel solcher Memes ist es den Forschenden zufolge, die Gesellschaft politisch zu spalten und die Gräben zwischen den Parteien zu vergrössern. Demokratische Konsensfindung wird so immer schwieriger.

Je überzeugter, desto eher greift das Meme

Die Forschenden testeten nun zwei verschiedene Strategien, gegen solche Memes vorzugehen: Sie untersuchten den Erfolg von Lehrvideos und -Memes, welche einen kritischen Umgang mit den Quellen von Memes vermitteln. Zum Beispiel: «Consult multiple sources: verify, then trust.» – «Konsultiere mehrere Quellen: Verifiziere, erst dann vertraue.» Zweitens: Die Wissenschaftler massen den Einfluss von Quellenangaben. Russische Memes wurden versehen mit der Quelle «russische Regierung». Twitter hat eine ähnliche Massnahme dieses Jahr eingeführt: Dort sind seit August russische und chinesische Nachrichtenseiten auf Twitter mit einem Hinweis für «staatsnahe Medien» versehen.

Vorgängig ermittelten die Forschenden die politischen Ansichten, den Nachrichtenkonsum, den Umgang mit den sozialen Medien und die Empfänglichkeit für Unwahrheiten der Probanden. Diese wurden dann in vier Gruppen aufgeteilt: Zwei davon sahen als erstes «Placebo-Memes», die keine edukativen Inhalte enthielten, die dritte schaute zuerst ein Lehrvideo und die vierte konsumierte Lehr-Memes. Dann mussten die Studienteilnehmenden 12 Memes bewerten. Sechs davon stammten aus russischen Kanälen und enthielten Gedankengut der Rechten, der Linken und der Patrioten. Hinzukamen Fake News, seriöse Nachrichten und unpolitische Memes. Die Probanden gaben an, welche Gefühle die Memes in ihnen auslösten, ob sie sich also ärgerlich, verwirrt, enttäuscht oder ängstlich fühlten oder im Gegenzug gut, hoffnungsvoll, aufgeregt oder glücklich. Zudem teilten sie mit, ob sie das Meme liken oder teilen würden.

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Es zeigte sich, dass die russischen Memes besonders viele positive Gefühle auslösten und so auch eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, gelikt oder geteilt zu werden. Sie übertrafen dabei auch Fake News. Dieser Effekt war umso stärker, je mehr das Meme auf der politischen Linie der Probanden lag – und je extremer die Probanden dachten.

Die Massnahmen, die den Einfluss der Memes einschränken sollten, hatten bedingt Erfolg. Insgesamt reduzierte eine transparente Quellenangabe zwar die positive Reaktion auf ein Meme – die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmenden dieses aber likten oder teilten reduzierte sich hingegen nicht. Auch die Lehr-Memes und -videos hatten nur einen geringen Effekt.

Am ehesten als Erfolg verbuchen lässt sich die transparente Quellenangabe bei Personen mit starken politischen Ansichten, also Leute an den rechten und linken Rändern. Linke reagierten dadurch weniger positiv auf russische Inhalte und waren weniger gewillt, linke oder patriotische Inhalte zu liken. Rechte reagierten weniger positiv auf US-patriotische Inhalte und waren ihrerseits weniger geneigt, rechte oder patriotische Inhalte zu liken.

Memes mit Quellenangaben zu versehen könnte also genau dort greifen, wo die Propaganda hinzielt: Bei Personen mit stärkeren Überzeugungen, die auf Stimmungsmache häufiger reagieren – und so schneller extreme Positionen einnehmen.

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