Das musst du wissen

  • Viren, welche Erkältungen, die Grippe oder Covid-19 auslösen, können sich im Winter leichter verbreiten.
  • Das Immunsystem gezielt zu stärken, ist allerdings kaum möglich – ausser durch Impfungen.
  • Gegen Symptome hilft vor allem, sich was Gutes zu tun – und soziale Kontakte.

Viele sehen dem Herbst bange entgegen, denn neben der Corona-Pandemie, die dann wieder verstärkt wüten könnte, droht die alljährliche Grippewelle. Denn Influenzaviren, die für die Grippe verantwortlich sind, breiten sich in kühler und trockener Luft besonders leicht aus. Die Grippewelle könnte heuer aber dank den Coronamassnahmen weniger drastisch ausfallen. Denn wie Covid-19 ist die Grippe eine Atemwegserkrankung, die durch Tröpfchen übertragen werden kann.

Sind die Viren einmal in unserem Körper, bekämpft sie unser Immunsystem. Sollte man jetzt also anfangen, die eigenen Abwehrkräfte zu stärken?

Wer googelt, wird mit einer Fülle an Rezepten belohnt, wie vorsorglich gegen Erkältungen und Grippe vorzugehen sei. Deren Wirkung ist jedoch selten wissenschaftlich belegt. Zum Beispiel heisst es in einer Studie zur Wirksamkeit des beliebten Heilkrauts Sonnenhut, lateinisch Echinacea, höchst vorsichtig: «Es gibt einige Hinweise darauf, dass Echinacea-Präparate […] für die frühzeitige Behandlung von Erkältungen bei Erwachsenen wirksam sein könnten, aber die Ergebnisse sind nicht ganz einheitlich.» Ein eindeutiger wissenschaftlicher Nachweis sieht anders aus. Die Pflanze machte auch im Bezug auf Covid-19-Schlagzeilen: Eine Studie des Labor Spiez ergab, dass das Arzneimittel Echinaforce bei Zellversuchen verschiedene Coronaviren inaktivierte, darunter Sars-Cov-2. Daraufhin wurden die Apotheken gestürmt. Nur: An der Studie war der Hersteller des Produkts beteiligt. Und: Was im Zellversuch wirkt, muss noch lange nicht im Menschen funktionieren.

Schlafmangel schadet

Wer das eigene Immunsystem stärken will, dem empfiehlt der Volksmund oft Vitamin-C. Von solchen Vitamin-C-Kuren hält Christine Thurnheer, leitende Ärztin Infektiologie am Berner Inselspital, aber nicht viel: «Die meisten Menschen in der Schweiz decken ihren Bedarf problemlos über die normale Ernährung ab». Zusätzlich eingenommenes Vitamin C werde über den Urin ausgeschieden. «Eine immunstärkende Wirkung ist nicht belegt.»
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Generell gilt: Unser Immunsystem können wir kaum mit Hausmittelchen fit machen, wie Ingmar Heijnen, Fachleiter der Medizinischen Immunologie an der Universität Basel sagt. Um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion zu verringern, kann man lediglich vermeiden, der eigenen Gesundheit aktiv zu schaden. Stress, zu wenig Bewegung, unausgewogene Ernährung, übermässiger Alkoholkonsum, Rauchen und Schlafmangel sollte man deshalb vermeiden. Eine Studie ergab zum Beispiel: Wer durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht schläft, hat eine drei Mal höhere Wahrscheinlichkeit, eine Erkältung zu entwickeln, wenn er Viren ausgesetzt ist, als wer durchschnittlich acht Stunden schläft.

Ein gesunder Lebensstil hilft also, Viren zu bekämpfen. Die einzige gezielte Massnahme, um das Immunsystem zu stärken, ist allerdings das Impfen. Ein Impfstoff gegen die saisonale Grippe ist verfügbar – gegen das neue Coronavirus noch nicht.

Symptome lindern

Wenn sich Viren aber erst einmal im Körper eingenistet haben, nimmt die Infektion ihren Lauf. Dann heisst es: Symptome bekämpfen. Auch hier gibt es verschiedene populäre Methoden. Die einen schwören auf Lindenblütentee, andere setzen auf ein heisses Dampfbad. Auch zu fiebersenkenden Medikamenten wird oft gegriffen, obschon Fieber eine gesundheitsfördernde Wirkung hat: Bei hohen Temperaturen laufen die biochemischen Prozesse in unserem Körper, darunter auch die Immunantwort, effizienter ab. Steigt die Körpertemperatur jedoch ins Unerträgliche, können diese Mittel Abhilfe schaffen. Die Ärztin Thurnheer ist vorsichtig mit allgemeinen Empfehlungen: Es gehe vor allem darum, dass sich der oder die Betroffene besser fühle. Den einen helfe eine Dampfinhalation gegen die verstopfte Nase, andere glaubten, durch Vitamin-C-Tabletten gesund zu werden. «Nützt es nicht, so schadet es nicht», sagt Thurnheer. «Da kann sich auch der Placebo-Effekt als nützlich erweisen.»

Entscheidend sind dabei nicht nur physische, sondern auch psychische Umstände. Soziale Kontakte gehören dabei zu den stärkenden Faktoren. Gemäss einer neuen Übersichtsstudie des amerikanischen Psychologieprofessors Sheldon Cohen haben Menschen mit vielen sozialen Kontakten ein tieferes Risiko, eine Erkältung zu entwickeln, wenn sie den Viren ausgesetzt sind. Eine frühere Studie des Autors zeigte: Je mehr soziale Rollen eine Person inne hat – zum Beispiel die Rolle der Gattin, der Mutter, der Freundin oder der Angestellten – desto eher bleibt sie gesund. Dies könnte daher kommen, dass soziale Integration mit guten Empfindungen und weniger Stress einhergeht. Ausserdem sind diese Personen dem Druck anderer ausgesetzt, auf sich Acht zu geben, sich also vor Ansteckung zu schützen.

Science-Check ✓

Studie: Psychosocial Vulnerabilities to Upper Respiratory Infectious Illness: Implications for Susceptibility to Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDer Autor bietet einen Überblick über die Forschung, die am Labor für die Erforschung von Stress, Immunität and Krankheiten an der Carnegie Mellon Universität in den letzten 35 Jahren erfolgte. Er ist Direktor des Labors, deshalb besteht die Gefahr der Befangenheit. Auch geht er kaum auf andere Forschung ein. Die Studie kann deshalb nur einen unvollständigen Überblick über den Stand der Forschung geben.Mehr Infos zu dieser Studie...

Aber wie steht es nun, wenn man mild an Covid-19 erkrankt? Auch hier setzen die Ärzte bis anhin auf die klassische Symptombekämpfung. Wie bei anderen Krankheiten gilt hier ebenso der Grundsatz, dass sich die Patientin oder der Patient möglichst wohl fühlen soll. Wenn die ergriffenen Massnahmen nicht anschlagen, führt jedoch kein Weg am Spitalaufenthalt vorbei. Wer über mindestens fünf Tage hohes Fieber hat oder anhaltend Atemnot empfindet, läuft Gefahr, eine Lungenentzündung zu entwickeln. Der oder die Betroffene sollte auf jeden Fall ein Krankenhaus aufsuchen.

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