Das musst du wissen

  • In klinischen Versuchen werden zum Beispiel Therapieverfahren an Patienten wissenschaftlich getestet.
  • Die Versuche sind streng reguliert und werden von der Ethikkommission und Swissmedic bewilligt.
  • Die Resultate der Versuche sind für die Patienten, die Fachleute und die Öffentlichkeit aber oft nicht zugänglich.

Stellen wir uns vor: Zwei verschiedene Krebstherapien werden an Patienten getestet, um herauszufinden, welche effektiver ist. Beide Therapien werden in der Praxis bereits angewandt – welche besser ist, darüber gehen die Meinungen aber auseinander. Ärzte und Wissenschaftler eines Universitätsspitals beantragen also eine Bewilligung beim Bund, einen klinischen Versuch an Patienten durchführen zu dürfen. Die Tests zeigen, dass die zweite, neuere Therapie weniger bewirkt als die erste. Im Zweifelsfall sollten Ärzte also die ältere Therapie anwenden. Nur: Sie wissen es nicht. Denn die Studie landet in der Schublade, weil das Resultat zu wenig spektakulär ist, um in einem Fachmagazin publiziert zu werden.

Das ist das Schicksal von vielen klinischen Versuchen, die in der Schweiz durchgeführt werden. Eine Veröffentlichung der Resultate ist hierzulande nicht vorgeschrieben. Für klinische Versuche müssen Wissenschaftler die Bewilligung der kantonalen Ethikkommission sowie, wenn nicht zugelassene Arzneimittel im Spiel sind, von Swissmedic ersuchen. Auch muss jeder klinische Versuch auf dem öffentlichen Studienportal SNCTP (Swiss National Clinical Trials Portal) registriert sein. Nach Abschluss des Versuches aber müssen die Resultate nur der Ethikkommission und Swissmedic in einem Bericht unterbreitet werden – die Öffentlichkeit hat darauf keinen Zugriff.

Ethisch korrekt ist das nicht. In der Deklaration von Helsinki, dem vom Weltärztebund entwickelten Ehrenkodex für medizinische Forschung am Menschen, steht denn auch: «Forschende haben die Pflicht, die Resultate ihrer Forschung am Menschen öffentlich zu machen.» Zufrieden ist mit der gegenwärtigen Situation niemand. «Transparenz ist ein Gesetz der Wissenschaft», sagt Susanne Driessen, Präsidentin des Dachverbandes Swissethics und der Ethikkommission Ostschweiz. «Es ist unbedingt erforderlich, dass Ergebnisse öffentlich sind – gerade die negativen –, damit zum Beispiel nicht die gleiche Studie noch einmal durchgeführt wird.» Öffentliche, weltweite Register hierfür gäbe es. Doch während private Pharmafirmen wegen strenger Regulierung diese Register diszipliniert befüllen, verschlampen das Universitäten und Spitäler meist. Das Wissen wird so zurückgehalten.

Das soll sich nun ändern. Eine neue EU-Verordnung über Medizinprodukte gilt ab Mai – und diese verlangt, dass die Resultate klinischer Versuche auf der EU-Datenbank öffentlich werden. Auch die Schweiz zieht nach und nimmt dies in die neue Medizinprodukte-Regulierung auf, welche 2020 in Kraft treten soll.

Ob das etwas bringt, ist allerdings ungewiss. In den USA gilt bereits seit 2018 ein entsprechendes Gesetz – doch weder tragen die Institutionen ihre Resultate gewissenhaft nach noch werden sie für Schlampereien gebüsst. Das Wissenschaftsmagazin Science hat kürzlich ermittelt, dass bei fast einem Drittel der registrierten Studien die Resultate nicht eingereicht wurden.

Wie also bringt man säumige Studienleiter dazu, ihre Resultate gewissenhaft an die Öffentlichkeit weiterzugeben, damit von neuen Erkenntnissen alle profitieren? «Es muss ein Nachteil entstehen, wenn Resultate nicht rapportiert werden», sagt Christiane Pauli-Magnus, Präsidentin der Swiss Clinical Trial Organisation. Teilweis sei das jetzt schon der Fall. Bei den renommiertesten Wissenschaftsmagazinen zum Beispiel müssen die Studien öffentlich registriert sein – sonst werden sie nicht publiziert. Und der Schweizerische Nationalfonds unterstützt nur Projekte, welche ihre Daten öffentlich machen. Für die Wissenschaftler bedeutet dies zwar Mehraufwand. Doch: Nur so kann die Wissenschaft ihre volle Wirkung entfalten.

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