Als Podcast anhören
Jan Vontobel: Herzlich willkommen zu der ersten Ausgabe unser neuen Sendung zum Coronavirus, Sars-CoV-2, in welcher wir schwerpunktmässig nicht die Aktualität, zum Beispiel Fallzahlen, abhandeln wollen, sondern uns mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft auseinandersetzen und so Hintergrundwissen vermitteln wollen.
Ich diskutiere mit Beat Glogger, einem der renommiertesten Wissenschaftsjournalisten der Schweiz.
_____________
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️
_____________
Dem einen oder dem anderen vielleicht auch noch bekannt aus der Fernsehsendung Menschen Technik Wissenschaft.
Ursprünglich ist er Mikrobiologe. Und er hat das Wissenschaftsmagazin higgs.ch gegründet, welches seit gut zwei Jahren online ist. Diese Sendung produziert Radio 1 zusammen mit higgs.
Beat Glogger, wir wollen es gleich zu Beginn klarstellen, Sie sind kein Virologe oder Epidemiologe, sondern ursprünglich Mikrobiologe. Warum sind sie für diese Sendung der richtige zum Thema Corona?
Beat Glogger: Wie gesagt, ich verstehe zu wenig von Epidemiologie, von Virologie oder Epidemiologie, aber dank meines mikrobiologischen Grundwissens und über 30 Jahren Erfahrung im Wissenschaftsjournalismus habe ich die Fähigkeit, Zusammenhänge zu sehen. Und Inhalte, die die Wissenschaft manchmal zu kompliziert vermittelt, herunterzubrechen, sodass möglichst viele Leute sie verstehen.
Jan Vontobel: Es gibt hier eine grosse Zahl von aktuellen Artikeln, die zu diesem Thema erscheinen und ich habe das Gefühl, es kursiert viel oberflächliches Wissen in der Bevölkerung. Das ist eigentlich der Grund, warum wir diese Sendung starten. Eine tägliche Sendung. Montag bis Freitag, in welcher wir versuchen, Wissen zu vermitteln.
Beat Glogger: Im Moment läuft die Berichterstattung fast wie eine Sportberichterstattung ab. Man kommt kaum nach damit, Infizierten-Zahlen und Tote zu zählen. Und auch die Wissenschaftler kommen im Moment mit dem Lesen der seriösen Fachpublikation kaum nach. Es ist ein unglaubliches Tempo in die Wissenschaft geraten. Und da gibt es manchmal Dinge, die weniger sorgfältig gemacht sind. Das ist klar. Aber ich finde es darum gut, dass wir hier nicht auf Rekordjagd gehen, sondern auf Hintergrund-Berichterstattung.
Jan Vontobel: Und vielleicht noch als Disclaimer. Wir halten die Regeln des Social Distancing ein. Wir sind nicht zusammen im Studio.
Beat Glogger: Genau, ich bin in Winterthur in der Redaktion higgs.
Jan Vontobel: Es gibt viele Gerüchte um das Coronavirus. Eines ist, dass es eigentlich vergleichbar ist mit einer saisonalen Grippe. Dass dort die Zahl der Todesopfer höher ist. Allein in der Schweiz kann es Jahre geben, wo bis zu 2500 Menschen aufgrund der Grippe sterben. Aktuell sind wir in der Schweiz bei Corona bei 50 Todesopfern. Da gibt es Leute, die sagen, eigentlich ist das Panikmache. Eigentlich ist das Virus gar nicht so gefährlich.
Beat Glogger: Zuerst muss man sagen, die Krankheiten sind nicht dieselben. Es besteht ein wesentlicher Unterschied in der Art, wie sich die Krankheit zeigt. Und ein ganz wichtiger Unterschied besteht darin, dass bei Sars-CoV-2 die Kinder praktisch symptomfrei sind. Bei der Grippe trifft es Alte und Junge. Es sind auch Babys betroffen. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
Jan Vontobel: Was genau ist denn der Unterschied?
Beat Glogger: Eben, dass Kinder die Grippe haben können. Das weiss jede Mutter, jeder Vater, die mal ein an Grippe erkranktes Kind zu Hause gehabt hat. Und bei Covid-19 sind die Kinder wohl infiziert, aber sie sind praktisch symptomfrei. Aber auch bei den Symptomen gibt es Unterschiede: Fieber gibt es bei beiden Krankheiten. Gliederschmerzen ist hingegen typisch für Grippe und weniger für Covid-19. Husten ist bei beiden, aber nicht derselbe Husten. Es ist also auch medizinisch nicht dieselbe Krankheit. Und dann eben, wie sie sich ausbreitet, das sind ganz andere Dinge.
Jan Vontobel: Gehen wir jetzt gleich mal zu dieser Sterblichkeit. Da kursieren ja extrem viele verschiedene Zahlen. Man redet von 1/2 Prozent von 1 Prozent. Wenn man Zahlen von Italien anschaut, da ist man da weit darüber. Wie gross ist denn die Sterblichkeit?
Beat Glogger: Ganz ehrlich: man kann es nicht sagen. Man weiss nur, dass sie relativ hoch ist. Je nachdem wo, wo man schaut. Es ist von Land zu Land verschieden. Je nachdem in welcher Altersgruppe man schaut, ist sie auch verschieden. Man kann also sagen, bei Covid-19, bei der Corona-Infektion, je älter die Menschen sind, desto mehr sind Sie mit dem Tod bedroht. Das kann man sagen. Und bei der Grippe sterben 0,1 Prozent der Leute. Das heisst einer von 1000 bei Sars-CoV-2 sind es je nachdem, wo man hinschaut bis 3 Prozent. Wenn man die ersten chinesischen Statistiken anschaut. Dann ist es bei den Personen im Alter von 80 Jahren. Da ist sie 30 Prozent, also es ist eigentlich fast müssig zu sagen, wie hoch die Sterblichkeit diese Krankheit ist. Denn viel wichtiger ist, wie sie sich ausbreitet. Und da liegt das wahre Problem bei der Epidemie
Jan Vontobel: Diese Ausbreitung nimmt ständig zu. Warum breitet sich das so schnell aus, was ist da der Unterschied zu der Grippe?
Beat Glogger: ich muss zuerst noch was zu den Zahlen sagen. Diese Zahlen sind sehr trügerisch. Und darum rede ich nicht gerne über Zahlen. Ganz klar, wer nicht testet, hat keine Fälle. Also, je genauer man hinschaut, desto mehr Fälle gibt es. Am Anfang hat man in China alle Menschen, die um einen Patienten herum waren, getestet – ob mit oder ohne Symptome. Dadurch hat man ein recht genaues Bild der Infektion erhalten. Weil man auch Menschen angeschaut hat, die symptomfrei waren. Aber irgendwann ging es mit der I Sektion so schnell vorwärts, dass man aufgehört hat, Symptomfreie zu testen. Das heisst, die heutigen Zahlen sind viel zu tief, die können viel höher sein, weil symptomfreie Menschen das Virus haben können aber man testet sie nicht. Darum ist es müssig, über die Zahlen zu reden. Wichtig ist: Sie steigen schnell und wir kennen die Dynamik, mit der sie steigen. Und die ist exponentiell. Das ist also nicht eine Kurve, die stetig ansteigt, sondern irgendwann geht das wie fast eine Explosion ganz steil nach oben.
Was hat damit zu tun, wie die Ansteckungsdynamik dieser Krankheit ist. Und auch da unterscheidet sie sich ganz deutlich von einer saisonalen Grippe.
Jan Vontobel: Wie genau unterscheidet sie sich von der saisonalen Grippe? Kann man einen Vergleich ziehen?
Beat Glogger: Bei der saisonalen Grippe ist die Ansteckungsquote 1,1. Die Wissenschaft redet von einem R0-Wert, die Basisreproduktionszahl. Ein Kranker steckt circa weitere Menschen an, sofern keine Immunität in der Bevölkerung vorhanden ist. Ich komme nachher nach Zeug. Sars-CoV-2, da ist die Ansteckbarkeit bis zu 3,3. Sagen wir drei, um es einfach zu machen. Also bei der saisonalen Grippe kann ein Mensch einen anderen anstecken. Bei Corona kann einer drei anstecken. Und jetzt kommt der grosse Unterschied: die Zahlen beziehen sich auf eine Situation, wenn keine Immunität vorhanden ist. Aber bei der saisonalen Grippe, da gibt es eine gewisse Grundimmunität.
Erstens, weil Impfungen gemacht werden. Und zweitens gibt es eine Grund Immunität, weil ein ähnliches Virus bei der letztjährigen Grippewelle ja schon vorhanden war. Das heisst, die wahre Infektiosität ist tiefer als 1. Bei Sars-CoV-2 ist sie aber drei, weil keine Impfung existiert und keine Basisimmunität. Denn diese Krankheit war noch nie da. Und das macht sie so sehr viel gefährlicher.
Jan Vontobel: Das heisst, Corona ist nicht dreimal so schnell, sondern weil man keine Immunität und keine Impfung hat, sondern viel mehr als dreimal so schlimm.
Beat Glogger: Es ist beides, weil die saisonale Grippe gedämpft wird durch die Grundimmunität oder die Impfung. Und, man muss sich vorstellen, wenn bei der saisonalen Grippe in gewissen Jahren 270.000 Menschen in der Schweiz infiziert waren. Was passiert dann, wenn eine Krankheit, die mehr als dreifach so ansteckend ist, wenn man dieser freien Lauf lässt.
Jan Vontobel: Zudem ist auch noch die Todesrate höher. 5- bis 10-mal höher ist als bei der Grippe. Wer das verharmlost, redet also gegen Fakten?
Beat Glogger: Das ist völlig klar. Die argumentiere mit ihrem Gefühl, dass sie die letzte Grippe ja auch mit ein paar Tagen Bettruhe überstanden haben und dass ja auch nicht so viele Leute daran gestorben sind. Aber immerhin sind in der Grippewelle 2017 1000 Grippetote aufgetreten. In anderen Jahren war das noch höher.
Ausserdem haben wir jetzt eine Krankheit, die sich viel schneller verbreitet. Was machen wir mit diesen Patienten? Einige davon, vielleicht sind es nur 10 Prozent, die schwere Komplikationen machen, die müssen an Beatmungsgeräte. Dann haben die gar nicht genügen Ausrüstung, um all diese zu beatmen.
Aber auch die anderen, die keine schweren Komplikationen machen, die gehen nicht mehr arbeiten die stecken weitere Personen an.
Jan Vontobel: Ich glaube auch die Entwicklung der Fallzahlen in allen Ländern kann man nicht mehr wegdiskutieren?
Beat Glogger: Und die Länder, die die rigorosesten Massnahmen ergriffen haben, haben es geschafft, die steil ansteigende Kurve abzuflachen. Allen voran China.
Das sollte auch in demokratischen Ländern möglich sein. Wenn die Bevölkerung mitmacht.
Jan Vontobel: Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass auch erwiesen ist, dass man schon ansteckend ist, bevor man Symptome hat? Das macht das ganze wohl noch schwieriger. Weil man gesunden Leuten sagen muss, auch ihr seid ein Risiko, auch wenn ihr noch nichts spürt.
Beat Glogger: Das ist extrem schwierig. Ich fühle mich topfit, gehe joggen, aber verbreitet das Virus schon. So einen Menschen zu sagen, er soll nicht mehr ins Büro oder ins Restaurant. Das ist sehr schwierig. Da muss man etwas von der Dynamik des Virus verstehen. Tatsächlich man kann sie noch gesund fühlen, aber man verbreitet das Virus schon. Darum hat man ja die Schulen geschlossen. Kinder haben keine oder ganz milde Symptome. Die merken nicht, dass sie krank sind und verbreiten es. Sie besuchen mal den Grossvater oder die Grossmutter im Altersheim und haben es so ohne Wissen jemandem übertragen, der eben zu der Hochrisikogruppe gehört.
Jan Vontobel: Auch da gibt es natürlich Stimmen, die sagen, das ist alles nicht erwiesen. Gibt es da wissenschaftliche Fakten, die das belegen? Dass genau Kinder und Personen, die noch nichts spüren ansteckend sind?
Beat Glogger: Natürlich, das ist erwiesen, es gibt infizierte Leute, die sind symptomfrei. Es ist noch unklar wie lange bevor die Krankheit ausbricht man ansteckend ist.
Jan Vontobel: Das heisst also, dass die Massnahmen des Social Distancing sinnvoll sind. Das wollen wir hier nochmals bekräftigen. Und das soll nicht auf Befehl von oben herab, sondern es soll so gemacht werden, weil es Sinn macht, weil man sonst in eine noch grössere Krise hinein läuft.
Beat Glogger: Was wird passieren, wenn wir nichts unternehmen? Anfang dieser Woche wurde in England eine Studie veröffentlicht, die das mal durchgerechnet hat. Dabei wurde angenommen, dass sich ein gewisser Prozentsatz der Menschen an die Abstandsregeln halten, ein bestimmter Prozentsatz geht ins Spital, andere nicht, so und so viele machen Komplikationen, von denen, die Komplikationen machen müssen ein bestimmter Prozentsatz an der Beatmungsmaschine. Und so weiter.
Und dann kommen die englischen Forschenden zu einer krassen Prognose: Es wird fünf Monate dauern, bis wir es im Griff haben.
Wir müssen die Kurve abflachen. Das haben die Länder bewiesen, die ganz scharfe Massnahmen ergriffen haben, und die Länder, die zu spät Massnahmen ergriffen haben, nicht zuletzt Italien und die USA.
Jan Vontobel: Wir werden diese Sachen in weiteren Sendungen vertiefen. Es gibt jetzt auch immer wieder Menschen, die sich als Fachleute ausgeben, und genau das Gegenteil von dem behaupten, was du jetzt gesagt hast. Zum Beispiel Wolfgang Wodarg, SPD-Politiker, Pneumologe in Deutschland. Er hat ein Video veröffentlicht, dass schon weit über eine Millionen mal angeklickt worden ist. Er sagt, Coronaviren kennt man schon lange. Erkältungsviren seien Coronaviren. Das sei alles nichts Neues.
Beat Glogger: Sorry, Herr Doktor Wodarg, die Aussage ist komplett falsch. Er sagt, Coronaviren seien nichts Neues. Da hat er recht. Aber er ignoriert, dass es die verschiedensten Arten von Coronaviren gibt. Es ist eine Viren-Familie. Was ist deine Viren-Familie? Wenn man bei Tieren schaut, was eine Familie ist – zum Beispiel Bären. Da gibt es Eisbären, Schwarzbären, Braunbären und der Pandabär. Die wohnen alle an einem anderen Ort, die fressen alle etwas anderes, verhalten sich völlig anders. Wie kann man da sagen Bär sei gleich Bär? Wie kann man da sagen, Corona gleich Corona? Da gibt es harmlose Erkältungsviren. Die heissen einfach Corona, weil sie eine bestimmte typische Form haben, mit einer kronenartigen Struktur, die man im Rasterelektronenmikroskop sieht. Es gibt also harmlose Erkältungsviren und es gibt massiv tödliche Viren. Wenn da jemand sagt, Coronaviren gab es schon immer, dann ignoriert er einfach Fakten. Er lügt.
Jan Vontobel: Wir müssen festhalten, es gab schon immer Coronaviren. Bei Menschen sind es glaube ich vier, die man live sehen kann. Aber das sind ganz unterschiedliche Viren.
Beat Glogger: Und das, jetzt reden wir von Sars-CoV-2, das ist mit der Analyse der Erbsubstanz belegt, dass es dieses Virus noch nie gegeben hat.
Und jetzt sagt Herr Wodarg, das hat man einfach nicht gesucht. Aber das ist völlig unplausibel. Es gibt weltweit Datenbanken, in denen jedes Genom von jedem Lebewesen dieses Planeten, das man je gesehen hat, abgelegt ist. Da sind 380 000 Genome hinterlegt. Wie kommt er darauf, dass ausgerechnet ein Virus, das im Menschen vorkommt und potenziell krank machen kann, dass man ausgerechnet dieses nicht gesehen hat? Er unterschätzt und missachtet völlig die Arbeit dieser Leute, die das untersucht haben. Es ist eine Verniedlichung beziehungsweise sogar eine Frechheit.
Jan Vontobel: Er sagt ja auch, wenn man in diesen 10 000 Toten, die wir bis jetzt weltweit haben, nicht speziell nach diesem Corona suchen würde, dass diese Zahlen dann nicht in den Statistiken erscheinen würden. Hat er da recht?
Beat Glogger: Natürlich hat er recht. Wenn man keine Polizei hat, findet man keine Verbrecher. Wenn nicht sucht, der kann keine Statistik machen. In dem Sinn hat er rein sprachlich recht. Aber, wenn man etwas Neues entdeckt hat, und man sieht, dass Menschen schwer krank werden, und dann schaut, was bei all diesen Menschen gemeinsam ist und man dann sieht, die haben alle genau dieses Virus kann, da muss man schon ziemlich ignorant sein, um zu sagen: die haben das Virus zwar, aber es ist nicht der Grund für die Krankheit. Dann soll er einen anderen Grund nennen. Dann soll er sagen, warum in einem italienischen Altersheim an einen Tag 17 Menschen sterben. Das muss er erklären. In der Wissenschaft kann man immer zweifeln. Das ist okay, das ist das Wesen der Wissenschaft. Aber wenn jemand zweifelt und sagt, eine Erklärung stimmt nicht, dann muss er eine bessere Erklärung liefern, welche das Neue erklärt und das bisher da gewesene auch. Und das hat Wodarg nicht. Er hat gar nichts, er provoziert lediglich.
Jan Vontobel: Er hat auch gesagt, dass die Tests, mit denen man jetzt aufs Sars-CoV-2 testet, zu wenig spezifisch sind. Die würden auch auf andere Coronaviren ansprechen und darum läge die Zahl der positiven Tests viel zu hoch. Auch das ist ja nicht prinzipiell falsch. Der Test sprich tatsächlich auf andere Coronaviren an, bloss kommen die bei Menschen nicht vor.
Beat Glogger: Er ist sprachlich geschickt, er ist auch nicht dumm. Und er formuliert alles so, dass er eigentlich ein bisschen Recht hat. Das neue Testverfahren, welches von Christian Drosten von der Charité Berlin entwickelt worden ist, das ist nicht 100 Prozent spezifisch. Eine Kreuzreaktion gibt es zum Beispiel mit einem Coronavirus, das Kamele befällt. Da glaube ich nicht, dass man in einem italienischen Altersheim bei 17 Menschen, die gestorben sind, ein Kamelvirus findet. Das müsste Herr Wodarg erklären.
Insbesondere aber spricht der Test nicht gegen Sars-CoV-1 an. Das ist die Krankheit, die vor einigen Jahren schon mal für Schlagzeilen gesorgt hat. Auch die normalen Erkältungs-Coronaviren die sprechen nicht an. Also die Behauptung, der Test sei zu wenig spezifisch, ist falsch. Weiter ist die Behauptung falsch, es sei ein Inhouse-Test. Die Forschungsgruppe stellt den Test im sogenannten Open Access zur Verfügung, das ist ein Prinzip in der Wissenschaft, wo man seine Daten allen anderen zur Verfügung stellt. Drosten verdient auch nichts an dem Test. Wodargs Behauptung, man würde die Krise nur konstruieren, um den Test zu verkaufen, das ist ein Hirngespinst.
Jan Vontobel: Man muss aber schon sagen, theoretisch würde der Test auch auf ein anderes Coronavirus ansprechen, das es bei Menschen einmal gegeben hat. Aber das ist ausgestorben. Und darum kann man sagen, dass dieser Virus-Test nur die Fälle findet, die an dem neuartigen Virus erkrankt sind.
Beat Glogger: Und wenn der aktuelle Test ein längst ausgestorbenes Virus wieder eindecken würde, dann würden sich alle Wissenschaftler drauf stürzen. Denn, wenn eine Krankheit wiederkommt, ist es auch eine Story. Dann wäre das die Geschichte und nicht, dass ein neues entstanden ist.
Jan Vontobel: Ich denke es ist wichtig, dass man hier diese Hintergrundinformationen gibt. Dass wir hier aufklären zum Schluss, warum erzählen Leute wie ein Herr Wodarg solche Lügen, solche Unwahrheiten?
Beat Glogger: Ich verstehe, warum eineinhalb Millionen Leute diese Unwahrheiten im Internet weiterverbreiten. Man hätte ja verdammt gern, Wodarg hätte recht. Dann wäre nämlich die ganze Aufregung umsonst. Und wir könnten nächste Woche wieder zum Normalbetrieb übergehen. Aber diese Sehnsucht, fast religiöse Sehnsucht, die Suche nach dem Erlöser, die ist verständlich.
Jan Vontobel: Ist es auch ein Verdrängungsmechanismus?
Beat Glogger: Genau. Und jetzt kommt einer, der sagt, es ist nicht so schlimm, du musst es nicht so ernst nehmen. Das nehmen wir sehr gerne an. Aber warum Wodarg das macht, das weiss ich nicht. Ich habe ihn angefragt für ein Interview, aber er nimmt solche Anfragen sehr selektiv war. Er spricht nur mit Sendern und Medien, bei denen er weiss, dass sie seine Hypothese weiterverbreiten. Also kann ich nur spekulieren. Er hat zum letzten Mal bei der Schweinegrippe vor vielen Jahren eine ähnliche Hypothese aufgestellt: es ist alles nichts. Und seither ist es um Herrn Wodarg sehr ruhig geworden und er ist im Ruhestand. Das ist nun ein bisschen spekuliert: Aber vielleicht ist ihm etwas langweilig, oder er vermisst den Zuspruch. Und jetzt hat er diese Bombe platzen lassen am 13. März. Seither ist er wieder ein gefragter Mann. Er ist bei verschiedenen alternativen Medien im Interview. Seriöse Medien besprechen ihn. Das tut ihm sicher gut. Und wenn er gemerkt hat, dass es Applaus gibt, von einer bestimmten Seite, dann macht er weiter in diese Richtung.
Applaus tut gut.
Jan Vontobel: Ich hoffe wir haben zeigen können, dass es eben nicht so ist, dass die Verbreitung von Sars-CoV-2 viel schneller ist als wir es bei der Grippe kennen. Das es auch tödlicher ist und dass da wirklich wichtig ist, dass diese Regeln zum Abstand halten eingehalten werden.
Beat Glogger: Aber es darf nicht dazu führen, dass man sich sozial isoliert. Es heisst zwar Social Distancing, aber ich habe zum Beispiel gemerkt, dass ich mehr meine Freunde, meinen Eltern anrufe und sie frage, wie es ihnen geht. Man darf die soziale Interaktion nicht vergessen. Und man darf joggen gehen.
Aber die Szenen, die ich letztes Wochenende noch am Zürichsee gesehen habe, wo junge Leute Party machen, und sogar zum Trotz mit Corona-Bier anstossen, diese möchte ich am nächsten Wochenende nicht mehr sehen. Das ist kindisch und gefährlich.
Höre dir auch die weiteren Folgen des Coronavirus-Podcast an: